13

Kade war gar nicht klar gewesen, wie sehr er sich darauf freute, Alex wiederzusehen, bis er sie durch die Milchglasscheibe ihrer Haustür kommen sah, um ihn einzulassen. Groß und schlank, in dunklen Jeans und einem limonengrünen Fleecepullover über einem weißen Rollkragen, ihr dunkelblondes Haar zu zwei Zöpfen zusammengefasst, die ihr knapp bis über die Schultern reichten, sah sie aus wie der helle Frühling mitten im eisigen Winter. Sie lächelte ihn durch die Eiskristalle an, die am Fenster klebten, ihr hübsches Gesicht verschönt mit nur einem Hauch Mascara und der plötzlichen Röte ihrer Wangen.

„Hi“, sagte sie, als sie die unverschlossene Tür öffnete. „Sie haben mich gefunden.“

Er nickte langsam. „Ich habe Sie gefunden.“

„Lassen Sie mich raten“, sagte sie und lächelte immer noch. „Sie sind den ganzen Weg zu Fuß hergekommen, so wie neulich in der Wildnis?“

Er verzog das Gesicht und zeigte auf das Schneemobil, das er in ihrem Hof geparkt hatte. „Heute bin ich ausnahmsweise mal mit dem Schlitten da.“

„Klar, ausnahmsweise.“ Sie hielt ihm die Tür auf. „Kommen Sie rein. Ich muss mir nur noch Stiefel und Jacke holen, dann können wir los.“

Als sie um eine Ecke des Wohnzimmers verschwand, ging Kade in das gemütliche kleine Haus, ließ seinen Blick über die einfachen Möbel schweifen und nahm die einladende Atmosphäre in sich auf. Er konnte Alex in ihrem Haus riechen, konnte sie im schlichten Design von Sofa und Stühlen spüren, in dem rustikalen dunklen Holz der Tische und den erdigen Grün-, Braun- und Beigetönen des Webteppichs unter seinen Füßen.

Sie kam in den Raum zurück mit robusten, zugebundenen Sorel-Stiefeln an den Füßen und einem dicken kakifarbenen Anorak um die Schultern. „Ich bin so weit, wenn Sie es sind. Lassen Sie Ihren Schlitten hier. Wir gehen hinten raus und fahren mit meinem zum Flugplatz.“

Kade blieb ein paar Schritte hinter ihr stehen. „Zum Flugplatz?“

„Ja“, sagte sie sachlich. „Laut Wettervorhersage gibt es in den nächsten paar Tagen keinen Schnee, warum also Zeit mit dem Schlitten verschwenden, wenn wir hinfliegen können?“

„Mir war nicht klar, dass wir fliegen würden.“ Er spürte einen kurzen Anflug von Unsicherheit, was sonst völlig untypisch für ihn war. „Es ist doch dunkel draußen.“

„Meine Maschine kennt keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht“, sagte sie, und in ihren sanften braunen Augen blitzte ein übermütiger Funke auf.

„Gehen wir. Es sei denn, Sie haben Angst im Dunkeln, Kade.“

Sie zog ihn auf, und verdammt noch mal, das gefiel ihm.

Er lächelte, mehr als bereit, jede Herausforderung anzunehmen, die sie ihm hinwerfen würde. „Na dann, immer nach Ihnen.“

Alex war am Steuer, und Kade war es nur recht, dass er hinter ihr auf dem Motorschlitten sitzen musste, wenn auch nur, weil er so seine Arme um sie schlingen konnte. Und so rasten sie über die leeren, zugefrorenen Grundstücke am Stadtrand zu Harmonys Flugplatz, wo ihr einmotoriges Flugzeug geparkt war. Der Flugplatz war ein Witz. Außer dem Hangar, wo immer noch die Leichen der Familie Toms aufbewahrt wurden, bis man sie abholte, bestand er nur aus einer kurzen Landebahn aus festgestampftem Schnee, gesäumt von Landescheinwerfern, die kaum über die höchsten Schneeverwehungen hinausreichten.

Alex' De Havilland Beaver hatte einen Nachbarn, eine kleine Super Cub mit dicken Reifen statt Kufen. Ein Windstoß fegte über die geräumte Landebahn und wirbelte eine Wolke Pulverschnee über den Boden.

„Viel Betrieb hier, was?“

„Es ist besser als nichts.“ Sie parkte das Schneemobil, und sie stiegen ab.

„Steigen Sie schon mal ein. Ich muss noch die Systeme überprüfen, bevor wir abheben können.“

Normalerweise ließ Kade sich nicht von Frauen herumkommandieren, aber es faszinierte ihn, mit welchem Selbstbewusstsein Alex an ihre Arbeit ging. Er kletterte in das unverschlossene Cockpit des Flugzeugs und schloss die Tür.

Auch wenn die Beaver als solides, geräumiges Transportflugzeug im schwer zugänglichen Hinterland das Transportmittel Nummer eins war, überraschte die klaustrophobische Enge des Cockpits Kade. Mit seinen eins neunzig und hundertfünfzehn Kilo ohne Waffen und Kleider war er ein in jeder Hinsicht großer Mann, und auf dem Beifahrersitz der einmotorigen Maschine fühlten sich die gewölbten Metallwände mit den kleinen Fenstern wie ein enger Käfig an.

Alex kam zu ihrer Seite rüber und sprang auf den Sitz hinters Steuer. „Na dann“, verkündete sie fröhlich. „Schnallen Sie sich an, dann sind wir sofort in der Luft.“

So weit im entlegenen Hinterland von Alaska war es nicht überraschend, dass es keine Flugüberwachung gab, keinen Tower, den man für die Starterlaubnis anfunken musste. Es lag ganz allein an Alex, sie in die Luft zu bringen und auf den richtigen Kurs zu kommen. Kade sah ihr bei der Arbeit zu, schwer beeindruckt davon, wie sie das Flugzeug handhabte und auf der jämmerlich kurzen Startbahn in Bewegung brachte. Eine Minute später erhoben sie sich in die Dunkelheit, stiegen höher und höher in den Morgenhimmel, lichtlos bis auf den fernen Sternenteppich, der über ihnen glitzerte.

„Wow“, sagte er und sah sie an, als sie die Flughöhe erreicht hatte und das Flugzeug durch eine kurze Strecke mit heftigen Windböen steuerte. „Sie machen das anscheinend öfter.“

Sie lächelte und warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. „Ich fliege, seit ich zwölf bin. Aber für die offizielle Ausbildung und die Lizenz musste ich natürlich bis achtzehn warten.“

„Sind Sie gerne hier oben, bei den Sternen und Wolken?“

„Ich liebe es“, sagte sie und nickte nachdenklich, überprüfte ein paar Anzeigen auf dem Armaturenbrett und sah dann wieder in das endlose Nichts hinaus, das sich vor ihnen ausbreitete. „Mein Vater hat mit das Fliegen beigebracht.

Als ich klein war, hat er mir immer gesagt, der Himmel ist ein magischer Ort.

Manchmal, wenn ich Angst bekam oder aus einem Albtraum aufwachte, nahm er mich mit hoch - egal um welche Uhrzeit. Wir flogen hoch in den Himmel hinauf, wo uns nichts Schlimmes mehr einholen konnte.“

Kade konnte die Zuneigung in ihrer Stimme hören, als sie von ihrem Vater sprach, und auch den Kummer über seinen Verlust. „Wie lange ist Ihr Vater tot?“

„Ein halbes Jahr - er hatte Alzheimer. Vor vier Jahren hat er angefangen, vergesslich zu werden. Es ist ziemlich schnell schlimmer geworden, und nach etwa einem Jahr ließ sein Reaktionsvermögen beim Fliegen nach. Da hat er sich dann endlich von mir ins Krankenhaus nach Galena bringen lassen. Die Krankheit hat unterschiedliche Verlaufsformen, aber bei Dad ist es furchtbar schnell gegangen.“ Alex stieß einen tiefen, nachdenklichen Seufzer aus. „Ich glaube, er hat aufgegeben, sobald er die Diagnose erfuhr. Ich weiß nicht, vielleicht hat er sein Leben schon vorher aufgegeben.“

„Warum?“

Er hatte nicht bohren wollen, aber sie biss sich reflexartig auf die Lippen.

Offenbar hatte sie wohl das Gefühl, ihm schon zu viel gesagt zu haben. An dem plötzlichen unbehaglichen Blick, den sie ihm zuwarf, konnte er sehen, dass sie versuchte, ihn irgendwie einzuschätzen, zu entscheiden, ob sie ihm vertrauen konnte.

Als sie endlich sprach, war ihre Stimme leise und ihr Blick wieder fest auf die Windschutzscheibe gerichtet, als ob sie es nicht erzählen und ihn gleichzeitig ansehen konnte. „Mein, äh ... mein Vater und ich sind nach Alaska gezogen, als ich neun war. Davor haben wir in Florida gewohnt, in den Everglades. Dort flog mein Vater mit dem Wasserflugzeug Chartertouren in die Feuchtgebiete und zu den Florida Keys.“

Kade musterte sie im dämmrigen Licht des Cockpits. „Das ist eine ganz andere Welt als hier.“

„Oh ja, das kann man wohl sagen.“

Plötzlich ertönte irgendwo im Flugzeug ein metallisches Rasseln, und das Cockpit schwankte. Kade hielt sich an seinem Sitz fest und sah dankbar, dass Alex nicht in Panik geriet. Laserscharf richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Bordkonsole und beschleunigte die Maschine. Das Schwanken und Rasseln legte sich, und der Flug wurde wieder ruhig.

„Keine Angst“, sagte sie zu ihm, ihr Ton war so trocken wie ihre Miene. „Wie mein Dad immer sagte, einige der beunruhigendsten Flugzeuggeräusche kann man nur nachts hören, das ist wissenschaftlich bewiesen. Ich denke, es ist alles im grünen Bereich.“

Kade kicherte unbehaglich. „Das muss ich Ihnen wohl abnehmen.“

Sie überflogen einen Gipfel und machten dann einen leichten Richtungswechsel, bis sie wieder über dem Koyukuk waren.

„Und was ist in Florida passiert, Alex?“, sagte er und nahm das Thema wieder auf, das er jetzt nicht wieder fallen lassen würde. Sein Instinkt sagte ihm, dass er schon kurz davor war, das Geheimnis zu erfahren, das sie in sich unter Verschluss hielt. Aber jetzt ging es ihm nicht mehr um seine Mission. Er war ehrlich interessiert an ihr - Hölle noch mal, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste er zugeben, dass sie anfing, ihm wirklich etwas zu bedeuten, und er wollte verstehen, was sie durchgemacht hatte. Er hatte Schmerz aus ihren Worten herausgehört und wollte helfen, etwas davon zu heilen, wenn er konnte. „Ist Ihrem Vater oder Ihnen in Florida was Schlimmes passiert?“

Sie schüttelte den Kopf und warf ihm wieder einen dieser abwägenden Seitenblicke zu. „Nein, uns nicht ... aber meiner Mom und meinem kleinen Bruder ...“

Ihr versagte die Stimme. Kade konnte spüren, wie seine Augenbrauen sich zusammenzogen, als er sie anstarrte. „Wie sind sie gestorben, Alex?“

Einen verblüffenden Augenblick lang sah sie ihm in die Augen, ohne zu blinzeln. Und angesichts der alten Furcht, die er dort sah, begann sich in seinen Eingeweiden ein eisiger Angstklumpen zu bilden. Das kleine Cockpit, das sie zweitausendfünfhundert Meter über dem Boden teilten, schien noch enger zu werden, zusammengequetscht von Alex' schrecklichem Schweigen neben ihm.

„Sie sind ermordet worden“, sagte sie schließlich, und Kades Puls beschleunigte sich beim Gedanken an die mögliche Ursache - eine schreckliche Ursache, die seine ganze Geschichte mit Alex sogar noch unmöglicher machen würde, als sie so schon war. Aber dann zuckte sie mit den Schultern und sah wieder geradeaus. Sie holte tief und hastig Luft und atmete wieder aus. „Es war ein Unfall. Ein betrunkener Fahrer, der an einer Kreuzung eine Ampel übersehen hat. Er hat den Wagen meiner Mutter frontal gerammt. Sie und mein kleiner Bruder waren sofort tot.“

Kades Stirnrunzeln vertiefte sich, als sie die Fakten herunterleierte, als könnte sie sie nicht schnell genug loswerden. Und herunterleiern  schien eine zutreffende Beschreibung, denn etwas an der Erklärung kam ihm zu oberflächlich, zu einstudiert vor.

„Das tut mir leid, Alex“, sagte er, unfähig, seinen forschenden, jetzt argwöhnischen Blick von ihr zu lösen. „Ich schätze, es ist ein kleiner Trost, dass sie nicht leiden mussten.“

„Ja“, antwortete sie hölzern. „Wenigstens haben sie nicht gelitten.“

Sie flogen eine Weile, ohne zu reden, und sahen zu, wie die dunkle Landschaft unter ihnen sich veränderte, wie die schwarzen, dichten Waldflecken und zerklüfteten, hoch aufragenden Berge unter ihnen dem bläulichen Schein der schneebedeckten Tundra und der Gebirgsausläufer wichen. In der Ferne sah Kade das geisterhaft grünliche Blitzen des Nordlichts. Er machte Alex darauf aufmerksam, und obwohl er das Polarlicht in den fast hundert Jahren seines Lebens schon unzählige Male vom Boden aus gesehen hatte, war es für ihn das erste Mal, dass er die farbigen Lichtstreifen vom Himmel aus über den Horizont tanzen sah.

„Unglaublich, nicht?“, bemerkte Alex, sichtlich in ihrem Element, und flog einen weiten Bogen, damit sie die Lichter länger sehen konnten.

Kade betrachtete das bunte Schauspiel, aber in Gedanken war er immer noch mit Alex beschäftigt, versuchte immer noch, die Fakten zusammenzusetzen und sie von der fadenscheinigen Geschichte zu trennen, die sie ihm offenbar verkaufen wollte. „Alaska ist so ziemlich das absolute Gegenteil von Florida, nicht?“

„Ja, ist es“, sagte sie. „Mein Dad und ich wollten neu anfangen - das mussten wir, nachdem Mom und Richie ...“ Sie holte Atem, als müsste sie sich davon abhalten, mehr zu sagen, als sie wollte. „Nachdem sie gestorben waren, sind mein Dad und ich nach Miami geflogen, um einen Flug zu buchen, irgendwohin, wo wir einen Neuanfang machen konnten. In einer Buchhandlung im Terminal war ein Globus. Dad hat mir gezeigt, wo wir waren, und mir dann gesagt, ich solle mir aussuchen, wohin wir als Nächstes gehen würden. Ich habe mir Alaska ausgesucht. Als wir herkamen, dachten wir uns, dass ein Städtchen mit dem Namen Harmony ein netter Ort sein müsste, um sich dort zu Hause zu fühlen.“ „Und war es so?“

„Ja“, sagte sie etwas wehmütig. „Aber seit er nicht mehr lebt, fühlt es sich für mich anders an. In letzter Zeit frage ich mich, ob es für mich vielleicht an der Zeit ist, mir wieder einen Globus vorzunehmen und mir einen anderen Teil des Landes auszusuchen.“

Bevor Kade genauer nachfragen konnte, fing der Motor wieder heftig zu rasseln an, und die Maschine schwankte. Alex beschleunigte wieder, aber das Geräusch und das Vibrieren hielten an.

„Was ist das?“

„Ich muss jetzt landen“, sagte sie. „Da unten ist Tulaks Hütte. Ich versuche, so nah wie möglich ranzukommen.“

„In Ordnung.“ Kade sah aus dem Fenster auf den Boden, der sich viel schneller näherte, als ihm lieb war. „Aber versuchen Sie, weich zu landen. Ich sehe hier nirgends eine Landebahn.“

Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Alex setzte die rasselnde Maschine weich auf ihren Kufen auf und schaffte es auch, ein paar alten Fichten auszuweichen, die sich aus der Dunkelheit materialisierten, als sie im Leerlauf über den Pulverschnee glitten. Jetzt war die Hütte direkt vor ihnen, aber Alex bremste die Beaver und steuerte einen sanften Bogen. Wegen der abrupten Landung navigierte sie auf verdammt knappem Raum und fast ohne Vorbereitung.

„Jesus, das war knapp“, sagte er, als sie im Schnee anhielten.

„Finden Sie?“ Alex' belustigte Miene sprach Bände, als sie den Motor abstellte.

Sie kletterte hinaus, und Kade folgte ihr zur Motorhaube. Sie spähte hinein.

„Verdammt. Nun, das erklärt das Problem. Es müssen sich ein paar Schrauben an der Motorhaube gelöst haben und herausgefallen sein.“

Kade wusste in etwa so viel über Motorhauben wie über Handarbeiten. Und eigentlich hatte er anderes zu tun, als zu hoffen, dass er jetzt wegen einer Motorpanne mit Alex ein paar Stunden in der Wildnis festsaß. Besser noch ein paar Nächte ...

„Heißt das, dass wir hier festsitzen, bis Hilfe kommt?“

„Die steht schon vor Ihnen“, sagte sie und grinste ihm zu, als sie nach hinten ging, um ihren Werkzeugkasten aus dem Frachtraum der Maschine zu holen.

Ein Grund, warum Kade mit ihr in diese abgelegene Gegend hatte herausfahren wollen, war gewesen, ein für alle Mal herauszufinden, was sie über die Morde an der Familie Toms wusste. Jetzt, nachdem sie ihm die halbe Wahrheit darüber erzählt hatte, wie ihre Mutter und ihr Bruder gestorben waren, hatte er noch einen zusätzlichen Grund, sie auszufragen. Wenn sich wirklich herausstellte, dass Alex etwas über die Existenz des Stammes wusste - und besonders, wenn das irgendetwas mit dem Tod ihrer Familie in Florida zu tun hatte, dann würde es eine Gnade für sie sein, wenn er sie von der Last dieser Erinnerungen erlöste.

Aber hier ging es nicht nur um seine Mission. Er hatte versucht, sich einzureden, dass es so war, aber seine Pflichten waren schnell zweitrangig geworden von dem Augenblick an, als er heute bei Alex' Haus angekommen war. Wie sein Puls in Gegenwart dieser Frau raste, war weiß Gott nicht Teil seines Planes. Sein Herz hämmerte immer noch von der abrupten Landung, aber als Alex nach vorne zurückkehrte und so clever und kompetent und verdammt umwerfend aussah, wie sie sich mit ihrem Werkzeug über den Motor hermachte, wich das Hämmern in seiner Brust einem schweren Pulsieren.

„Würden Sie mir mal die Taschenlampe halten?“ Sie knipste sie an und reichte sie ihm, dann zog sie einen Handschuh aus und fischte in ihrem Werkzeugkasten nach einer Handvoll loser Schrauben in unterschiedlichen Größen. „Ein paar von denen sollten es tun, bis wir wieder zu Hause sind.“

Kade sah ihr zu, wie sie vorsichtig jede Schraube von Hand in den Triebwerksmantel eindrehte, und fragte sich, ob die anderen Krieger in Boston ihren Gefährtinnen mit demselben Stolz und Vergnügen dabei zusahen, wenn sie taten, was sie am besten konnten.

Der Gedanke schreckte ihn auf, sobald er ihm ins Bewusstsein drang ... seit wann war er der Typ, der daran dachte, sich eine Gefährtin zu nehmen, ganz zu schweigen davon, Alexandra Maguire in so ein Szenario einzubauen? Sie war höchstens ein temporäres Hindernis bei der Ausführung seiner Mission für den Orden. Im schlimmsten Fall bedeutete sie ein Sicherheitsrisiko für das ganze Vampirvolk - und dann war es seine Pflicht, sie zum Schweigen zu bringen, je eher, desto besser.

Aber nichts davon interessierte sein hämmerndes Herz, und auch nicht das Begehren, das durch jede Ader und Zelle seines Körpers knisterte, als sie nur wenige Zentimeter von ihm entfernt ihre Arbeit beendete. Hinter ihr in der Ferne hatte sich zum grünen Licht des nördlichen Polarlichts ein roter Streifen gesellt, der langsam breiter wurde. Die Farbe rahmte Alex' ein, als sie jetzt den Kopf drehte, um ihn anzusehen, und er fragte sich, ob er jemals etwas Schöneres gesehen hatte als ihr Gesicht umgeben von dem Glorienschein der eisigen Magie der Wildnis Alaskas. Sie sagte nichts, sah ihn einfach nur mit derselben wortlosen Intensität an, die er durch sich selbst toben fühlte.

Kade knipste die Taschenlampe aus und legte sie oben auf den jetzt geschlossenen Triebwerksmantel. Er zog seine Handschuhe aus und griff nach Alex' nackter Hand, wärmte ihre kalten Finger zwischen seinen warmen Handflächen. Er hielt ihre Hand in einem losen Griff, damit sie sie wegziehen konnte, wenn sie seine Berührung nicht wollte. Aber das tat sie nicht.

Sie schlang ihre Finger durch seine und sah mit schmerzlicher, forschender Intensität zu ihm auf. „Was willst du von mir, Kade? Bitte, ich muss es wissen.

Du musst es mir sagen.“

„Ich dachte, ich wüsste es“, sagte er und schüttelte langsam den Kopf. „Ich dachte, mir wäre alles ganz klar. Gott, Alex ... dich zu treffen hat alles verändert.“

Er befreite eine Hand und legte sie ihr auf die Wange, glitt mit den Fingern zwischen die Kapuze ihres Anoraks und die samtige Wärme ihres Gesichts.

„Ich kann dich nicht lesen“, sagte sie und sah mit einem Stirnrunzeln zu ihm auf. „Es macht mir Angst, dass ich dich nicht durchschauen kann.“

Er tippte ihr an die Nasenspitze und lächelte ihr ironisch zu. „Zu viel Grau in deiner schwarz-weißen Welt?“

Ihre Miene blieb ernst. „Das macht mir Angst.“

„Braucht es nicht.“

“Du machst mir Angst, Kade. Mein ganzes Leben lang bin ich fortgerannt vor allem, was mir Angst machte, aber mit dir ...“ Sie stieß einen langsamen, unsicheren Seufzer aus. „Mit dir geht das irgendwie nicht.“

Er streichelte ihre Wange, strich mit den Fingerspitzen über ihre leicht gerunzelte Stirn. „Es gibt keinen Grund, Angst zu haben, wenn du mit mir zusammen bist“, sagte er zu ihr, und es war sein voller Ernst.

Aber dann senkte er den Kopf und drückte seine Lippen auf ihre. Und der Kuss, der eine sanfte Beschwichtigung hatte sein sollen, flammte zu etwas Wilderem auf, als Alex ihn offen wiederküsste, seinen Mund mit ihrer Zungenspitze neckte. All die Hitze, die in der vergangenen Nacht auf Pete's Parkplatz zwischen ihnen aufgeflammt war, wallte jetzt wieder auf, nur rascher, intensiver nach den Stunden des Verlangens, die Kade seither durchlebt hatte. Er brannte lichterloh vor Begierde nach dieser Frau, und das war gefährlich. Sie zu küssen war schon riskant genug; vor Begierde hatten sich seine Fangzähne schon ausgefahren, und sein Blick schärfte sich, schon bald würde bernsteingelbes Licht seine Iriskreise fluten.

Sie zu verführen war hier nicht sein Ziel gewesen, egal, wie seine Mission für den Orden lautete oder wie sehr er sich wünschte, hinter Alex' Geheimnis zu kommen, um seine persönliche Neugier zu befriedigen.

Er wich zurück, den Kopf gesenkt, das Gesicht abgewandt, um seine Transformation zu verbergen, die er sie nicht sehen lassen durfte. Die sie erschrecken würde.

Die er ihr unmöglich erklären konnte.

„Was ist?“, fragte sie, ihre leise Stimme rauchig vom Kuss. „Stimmt was nicht?“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf, immer noch darauf bedacht, sein Gesicht abzuschirmen, während er sein Verlangen mit aller Kraft niederkämpfte.

„Alles bestens. Aber es ist zu verdammt kalt, um hier draußen rumzustehen.

Du musst ja am Erfrieren sein.“

„Ich kann nicht behaupten, dass mir gerade kalt wäre“, antwortete sie und brachte ihn trotz des Krieges, der in ihm tobte, zum Lächeln.

„Wir sollten reingehen.“ Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern ging um das Flugzeug herum zur Passagierseite. „Ich muss noch meine Sachen holen.

Geh schon mal vor, ich komme gleich nach.“

„Na gut.“ Sie zögerte einen Moment, dann ging sie auf die Hütte zu, ihre Stiefel knirschten im Schnee. „Bring etwas Brennholz mit, wenn du schon dabei bist.

Das Haus wird inzwischen als Jagdhütte benutzt, also solltest du im Schuppen hinter dem Haus welches finden.“

Er wartete, bis sie in der Blockhütte verschwunden war, dann holte er seinen Ledersack mit den Waffen aus dem Flugzeug und machte sich auf die Suche nach dem Holzschuppen. Die arktische Luft biss ihn, als er durch den unberührten Schnee stapfte. Er genoss das bitterkalte Wetter. Er brauchte die Klarheit, die der eisige Wind ihm brachte.

Und innerlich brannte er immer noch vor Verlangen nach Alex.

Er begehrte sie so heftig, dass ihn schon ein Gletscher mit Haut und Haar verschlucken müsste, um die Hitze abzukühlen, die sie in ihm entflammte.

Lara Adrian- 07- Gezeichnete des Schicksals
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